Grundlagen

Europäisches Umfeld

DB-Konzern

Das europäische Greening Transport Package

Bis 2050 sollen die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 90% reduziert werden. Zu diesem Zweck hat die Europäische Kommission am 11. Juli 2023 ein umfassendes Maßnahmenpaket vorgelegt. Für den Schienenverkehr sind folgende Vorschläge mit unmittelbarer Relevanz enthalten: ein effizienteres Kapazitätsmanagement im grenzüberschreitenden Schienenverkehr, die Überarbeitung der Richtlinie für höchstzulässige Maße und Gewichte im Straßengüterverkehr sowie ein Vorschlag zur einheitlichen Berechnung verkehrsbedingter Treibhausgasemissionen. Der Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie für den Kombinierten Verkehr wurde in einem zweiten Schritt am 7. November 2023 ergänzt. Die Gesetzgebungsvorschläge der Europäischen Kommission werden nun im Rat und im Europäischem Parlament behandelt. Ein Abschluss der Gesetzgebungsverfahren ist erst 2025 zu erwarten. Die Initiativen werden im Folgenden einzeln dargestellt.

Bessere Koordination und Management des internationalen Schienenverkehrs

Ziel des Vorschlags ist die Schaffung eines effektiveren Kapazitätsmanagements auf der Schiene und insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr. Eisenbahnverkehrsunternehmen sollen Kapazitäten künftig flexibler und netzübergreifend über einen nationalen Infrastrukturbetreiber beantragen können. Zur Lösung von Kapazitätskonflikten sollen sozioökonomische und umweltbezogene Kriterien herangezogen werden. Der Verordnungsentwurf enthält grundlegende Änderungen an den bestehenden Bestimmungen zur Vergabe der Fahrwegkapazität in der EU-Richtlinie 2012/34. Das Europäische Parlament nahm am 12. März 2024 seinen Standpunkt in erster Lesung an. Am 18. Juni 2024 beschloss der Rat seine allgemeine Ausrichtung. Die Kompromissverhandlungen zwischen Rat und Parlament werden im zweiten Halbjahr 2024 beginnen.

Überarbeitung der Richtlinie über den Kombinierten Verkehr

Der Vorschlag der Europäischen Kommission sieht vor, dass künftig Verkehre als Kombinierter Verkehr gelten und gefördert werden, die mindestens 40% weniger externe Kosten verursachen als der Güterverkehr über die Straße. Die EU-Mitgliedstaaten sollen einen nationalen Strate­gierahmen zur Senkung der durchschnittlichen Kosten des Kombinierten Verkehrs um 10% vorlegen. Einzelheiten wie die Berechnung der externen Kosten und die Prüfung der Vorgaben mithilfe der geplanten digitalen Plattformen sollen in nachgelagerten Rechtsakten festgelegt werden. Das Europäische Parlament hat bislang keinen Standpunkt zu dem Dossier verabschiedet. Der Rat nahm am 18. Juni 2024 einen Fortschrittsbericht an. Das Verfahren wird im zweiten Halbjahr 2024 fortgesetzt.

Revision der Richtlinie zu Maßen und Gewichten im Straßengüterverkehr

Im Fokus des Richtlinienvorschlags steht die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Einsatzes von längeren und schwereren Nutzfahrzeugen auf Basis des Europäischen Modularen Systems bzw. Gigalinern, sofern diese in den Mitgliedstaaten bereits zugelassen sind. Zur Förderung von emissionsfreien Lkw dürfen diese um 90 cm länger und bis zu 4 t schwerer sein. Ziel der Europäischen Kommission ist es, den Einsatz schwerer Nutzfahrzeuge mit fossilen Brennstoffen bis 2035 schrittweise einzustellen. In einer Übergangszeit bis Ende 2034 dürfen allerdings auch konventionelle Verbrenner-Lkw schwerer und länger sein. Das Europäische Parlament nahm am 12. März 2024 seinen Standpunkt in erster Lesung an und bestätigte den Kommissionsvorschlag weitgehend. Im Rat wurde bislang nur am 18. Juni 2024 ein Fortschrittsbericht beschlossen. Entscheidend ist, dass die Vorschläge nicht zu einer Rückverlagerung von Verkehren von der Schiene auf die Straße führen.

Vorschlag für Richtlinie zur einheitlichen Erfassung und Berechnung von verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen

Mit CountEmissions EU will die Europäische Kommission einen harmonisierten europäischen Rahmen für die Berechnung verkehrsbedingter Treibhausgasemissionen sowie deren Berichterstattung schaffen. Die Berechnung soll sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr Anwendung finden. Über die einheitliche Berechnung mittels des Weltstandards ISO 14083:2023 sollen die Nutzer:innen, Verbraucher:innen und Unternehmen transparente Informationen erhalten, die es ermöglichen, Emissionen zu vergleichen. Das Europäische Parlament nahm am 10. April 2024 seinen Standpunkt in erster Lesung an. Die Trilogverhandlungen mit dem Rat werden im zweiten Halbjahr 2024 starten.

Personenverkehr

Gesetzgebungsvorschlag Multimodal Digital Mobility Services

Die Europäische Kommission hat einen Gesetzgebungsvorschlag zu Multimodal Digital Mobility Services (MDMS) angekündigt, der datentechnische Aspekte des Vertriebs ­(z. B. Weitergabe von Echtzeit- und Prognosedaten) und auch rein kommerzielle Punkte regeln soll (z. B. Verpflichtung zum Eingehen von Vertragsbeziehungen unter bestimmten Umständen). Die Europäische Kommission strebt an, den Zugang zu bestehenden Verkaufskanälen sowie zu Echtzeitdaten zu lockern. Zudem soll u. a. die Weiterreise bei Störungen verbessert werden (Journey Continuation). Die Vorlage des Gesetzgebungsentwurfs der Europäischen Kommission ist mehrfach verschoben worden. Voraussichtlich wird die Europäische Kommission ihren Vorschlag nun erst 2025 vorlegen.

Berücksichtigung des Sektorstandards Open Sales and Distribution Model in den TSI TA

Die Europäische Kommission überarbeitet derzeit zusammen mit der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) die Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität für Telematikanwendungen (TSI TA). Ziel ist es, diese im Rahmen der nächsten Sitzungen des zuständigen Mitgliedstaatenausschusses im November 2024 oder Februar 2025 zu verabschieden. Darin werden u. a. auch wichtige Weichen für das Ticketing gestellt, wie z. B. die Festlegung der Tarifdatenstruktur und der Schnittstelle für die Buchung und Bezahlung von internationalen/nationalen Tickets, wofür der Sektor mit der Schnittstelle Open Sales and Distribution Model (OSDM) bereits eine Lösung entwickelt hat.

Die Europäische Kommission hat zuletzt erklärt, eine ganzheitliche Aufnahme von OSDM in die TSI TA abzulehnen, und beabsichtigt, zeitnah die europäische Normierungsstelle CEN/CENELEC mit der Erarbeitung einer neuen Standardisierungsschnittstelle zu beauftragen.

Wird OSDM nicht in der TSI TA berücksichtigt, würde dies bedeuten, dass sich der Sektor bei vollendeter Implementierung von OSDM (bis 2025) perspektivisch (2027 bis 2028) mit einer neuen technischen Regulierung auseinandersetzen müsste.

Vorschläge für multimodale Passagierrechte sowie zur Stärkung der Rechte der Kund:innen

Die Europäische Kommission hat am 29. November 2023 das Passenger Mobility Package vorgelegt. Es enthält u. a. Vorschläge für eine neue Verordnung für multimodale Passagierrechte sowie einen Vorschlag zur Änderung der europäischen Passagierrechteregelungen zur Stärkung der Rechte der Kund:innen. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Fahrgastrechte in der EU sowohl für Verkehrsunternehmen als auch für die Reisenden klarer formuliert und ihre Umsetzung verbessert werden sollten. Zudem gebe es keine EU-Rechtsvorschriften, die die Rechte von Reisenden garantieren, die verschiedene Verkehrsmittel kombinieren. In ihrem Vorschlag sieht die Kommission nun insbesondere für durchgehende multimodale Beförderungsverträge eine neue Haftung etwa beim Anschlussverlust zwischen zwei Verkehrsmitteln vor. Die Verschärfung der Anforderungen für durchgängige Fahrten könnte dazu führen, dass derartige Angebote künftig eingeschränkt werden. Für den DB-Konzern könnte die neue multimodale Passagierrechteverordnung insbesondere Auswirkungen für Kooperationen mit Fluggesellschaften haben. Die Verordnung zur Änderung der europäischen Passagierrechteregelungen erhöht die Dokumentationspflichten beim Abschluss von Beförderungsverträgen und führt ein Monitoringsystem für die Erfüllung passagierrechtlicher Anforderungen ein. Der Rat nahm am 18. Juni 2024 einen Fortschrittsbericht zu dem Dossier an.

Infrastruktur

Revision der Verordnung über die Leitlinien der EU zum Aufbau eines Transeuropäischen Verkehrsnetzes

Die Europäische Kommission hat am 14. Dezember 2021 einen Vorschlag zur Überarbeitung der Verordnung über die Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrs­netzes (TEN-V-Netz) vorgelegt. Ziel ist eine schnellere Vollendung des multimodalen TEN-V-Kernnetzes bis 2030 sowie des TEN-V-Gesamtnetzes bis 2050. Nach einer Verhandlungsdauer von über drei Jahren wurde die neue Verordnung am 28. Juni 2024 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und ist am 18. Juli 2024 in Kraft getreten. Die neuen Regelungen bestä­tigen das vorgeschlagene neue Netzwerkdesign mit den Zielhorizonten 2030 (Kernnetz), 2040 (neu eingeführtes erweitertes Kernnetz) und 2050 (Gesamtnetz). Um eine rechtzeitige Fertigstellung zu gewährleisten, sind Durchführungsrechtsakte für die wichtigsten grenzüberschreitenden Abschnitte und andere spezifische nationale Abschnitte entlang der europäischen Verkehrskorridore vorgesehen. Vereinbart wurden u. a. Vorgaben für die Einführung des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems (European Rail Traffic Management System; ERTMS) und die Abschaltung von Class-B-Zugsicherungssystemen, Mindeststreckengeschwindigkeiten von 160 km/h für Personenzüge sowie eine bessere Integration von Häfen, Flughäfen und multimodalen Güterterminals in das TEN-V-Netz. Für den Schienengüterverkehr wurden betriebliche Anforderungen bspw. zu Grenzabfertigungszeiten aufgenommen.

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